Die Zwangsstörung
aus fachlicher Perspektive

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Zwangsstörungen

 

Bei  Zwängen unterscheidet man zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die jedoch häufig gemeinsam auftreten.


Menschen, die von Zwangsgedanken betroffen sind, leiden unter sich ständig aufdrängenden Gedanken, Impulsen oder Befürchtungen, zum Beispiel jemand anderem Schaden zuzufügen oder etwas extrem Peinliches zu tun.  Diese Gedanken werden als unfreiwillig, unkontrollierbar und unvereinbar mit den eigenen Moral- und Wertevorstellungen wahrgenommen. Die Betroffenen können sich jedoch nicht dagegen wehren. Dies führt zu großen Ängsten, Schuldgefühlen und Selbstabwertung wegen dieser Gedanken.  Inhalt der Gedanken ist beispielsweise, dem Kind,  dem Partner oder auch unbekannten Personen etwas anzutun oder in der Öffentlichkeit Obszönitäten zu rufen. Häufig suchen die Betroffenen aus großer Scham erst nach langer Zeit therapeutische Hilfe. Auch Angst, dass Angehörigen etwas zustoßen könnte, vor Infektionen oder etwas vergessen oder nicht ordnungsgemäß erledigt zu haben, kann als Zwangsgedanke auftreten.


Zwangshandlungen  treten oft nach einem Zwangsgedanken auf, um Ängste zu reduzieren. Die kurzfristige Entspannung und Angstreduktion durch das Zwangsritual führt jedoch langfristig dazu, dass die Zwänge aufrechterhalten werden und sich verstärken. Ein Teufelskreis entsteht. Zwangshandlungen sind sehr vielfältig  und können einzeln oder auch kombiniert auftreten.  Hierzu gehören Waschzwänge, Kontrollzwänge, Ordnungszwänge, Zählzwänge, der Zwang bestimmte Wörter oder Bewegungen zu wiederholen etc. Die Durchführung der entsprechenden  wiederholten Zwangshandlungen wie häufiges Waschen, Desinfizieren oder auch Kontrollieren, ob beispielsweise der Herd aus und die Tür verschlossen ist, nimmt oft mehrere Stunden am Tag in Anspruch. Der Betroffene kann sich dem starken Drang nicht widersetzen, die Handlung zu wiederholen, wenn er sich nicht ganz sicher ist, sie richtig durchgeführt zu haben. Versucht er der Zwangshandlung Widerstand zu leisten, treten starke Anspannung und Angst auf, so dass er sie schließlich doch wieder ausführen muss. Zwangshandlungen stellen oft den Versuch dar, Unheil von sich oder anderen abzuwenden. Durch stundenlanges Händewaschen soll beispielsweise die Gefahr einer eigenen Infektion oder die anderer verhindert werden. Oft werden Angehörige in die Zwänge mit eingebunden, indem sie beispielsweise vor Betreten der  Wohnung die Kleidung wechseln und sich waschen müssen oder indem bei Ihnen ständige Rückversicherung eingeholt wird, ob die elektrischen Geräte ausgestellt sind. So ist neben dem großen Leid der Betroffenen auch die Familie meist sehr belastet.


Ohne therapeutische Hilfe ist es so gut wie unmöglich, die Zwänge zu bewältigen. Zwangserkrankungen können jedoch mit medikamentöser Hilfe und Verhaltenstherapie behandelt werden.


In der Therapie werden wir ein Erklärungsmodell Ihrer Zwangsstörung entwickeln, damit sie verstehen, wie sich die Zwangssymptomatik bei Ihnen individuell entwickelt hat und wodurch sie bei Ihnen verstärkt und aufrechterhalten wird. Ein Kernpunkt in der Verhaltenstherapie der Zwangsstörung ist, sich entsprechenden Auslösern einer Zwangshandlung/eines Zwangsgedankens zu stellen ohne Zwangshandlungen durchzuführen (Reizkonfrontation mit Reaktionsverhinderung). Da dies für den an Zwängen erkrankten Menschen sehr schwierig ist und mit starken unangenehmen Gefühlen einhergeht, bereiten wir dies sehr behutsam und individuell abgestimmt vor. Wir sammeln sorgfältig alle Situationen, in denen Zwangshandlungen auftreten und ordnen sie entsprechend ihrem Schwierigkeitsgrad ein. In den darauffolgenden Konfrontation werde ich Sie zunächst begleiten, um sie optimal unterstützen und anleiten zu können. So werden Sie erfahren, dass Sie Ihre Anspannung trotz Angst aushalten können, Sie sich an die Situation gewöhnen (Habituation) und die Angst in Folge nachlassen wird. Sie werden dadurch erkennen, dass Ihre Befürchtungen nicht eintreten werden – auch wenn Sie ihre Zwangshandlungen nicht durchführen. Sie nehmen so Ihr Leben wieder selber in die Hand und lassen es nicht mehr von der Zwangsstörung bestimmen. Da es wichtig ist, die Zwänge dort zu bekämpfen, wo sie entstehen, biete ich auch Termine außerhalb der Praxis an. So können die Zwänge vor Ort angegangen und so besser bewältigt werden. Zusätzlich werde ich im Rahmen der kognitiven Therapie mit ihnen den Zwängen zugrundeliegende ungünstige Gedankenmuster und automatisch auftretende Gedanken hinterfragen und mit Ihnen gemeinsam einen hilfreicheren Umgang mit solchen Gedanken entwickeln.


Teilweise verbergen sich hinter Zwangsgedanken und -handlungen auch sehr intensive belastende Gefühle, die durch die Zwangssymptomatik überdeckt werden und so nicht schmerzhaft an die Oberfläche treten. In diesem Fall ist es wichtig, in der Therapie entsprechende Bewältigungsstrategien für die hinter den Zwängen verborgene Problematik zu entwickeln, um Rückfällen vorzubeugen.